WIR: für eine monetäre Vielfalt

Dimitri Touren, übersetzt von Claudia Oppong Peprah
16 Septembre 2016



Die WIR Bank ist eine Schweizer Bank, gegründet 1934 mit Sitz in Basel. Sie operiert unter Kontrolle der Schweizerischen Nationalbank und wurde offiziell von der Weltbank anerkannt. Sie übernimmt die gleiche Rolle wie eine Zentralbank, da mit WIR eine private Währung entsteht, die, parallel zu den offiziellen Zahlungsmitteln, exklusiv von einem Netz aus 60 000 kleinen und mittelständischen Unternehmen in der Schweiz genutzt wird.


Foto-Kredit: Taxcredits.net
Foto-Kredit: Taxcredits.net
Nach Kriegs- und Krisenzeiten muss der Geldschöpfungsprozess in Gang gebracht werden. Beispiele sind Bretton Woods 1944 nach dem Zweiten Weltkrieg und die Bank von England 1694 nach dem Krieg gegen Frankreich … Die Einführung der WIR folgte auf die Krise von 1929. Die Investitionen lagen auf Eis, die Kredite der Banken waren auf einem Tiefstand und die Firmen machten keine Profite mehr. Silvio Gesell und Werner Zimmermann beschlossen daher, eine den Schweizer Unternehmern vorbehaltene, zinslose Währung einzuführen, um gegen die Bereicherungen – und die Kapitalflucht – anzukämpfen. Schnell machte sich Begeisterung breit und ein Jahr später wurde die Bank legalisiert.

Heute nutzen 60 000 KMUs das – in Schweizer Franken konvertible – WIR-System für einen Teil ihrer Transaktionen. Sie repräsentieren etwa 20% der Gesamtstruktur der lokalen Klein- und Mittelständler und erlauben es, wirtschaftliche Beziehungen mit Agenten zu pflegen, mit denen man sonst nicht zwangsläufig zusammenarbeiten würde. Da es bei WIR keinen Zins auf das Guthaben gibt, gibt es keinen Grund etwas anzulegen. Die Kontoinhaber sind mehr daran interessiert Geld auszugeben, und das schnell, denn aufgrund der Inflation des Schweizer Franken, fällt sein Wert – obwohl die Tendenz dessen nach der letzten Krise ohnehin zur Abwertung neigt.

Das Ende des Gelschöpfungsmonopols

Wie kürzlich durch den Film „Demain " von Cyril Dion publik wurde, stellt die WIR den Vorteil einer zusätzlichen Währung dar, statt eine Alternative zu sein. Und tatsächlich verzichten die Nutzer nicht gänzlich auf den Schweizer Franken. Für ihre alltäglichen Geschäfte bevorzugen sie dagegen die WIR. Die Logik, die beiderseitigen Interessen zu berücksichtigen, sorgt dafür, dass die Nutzer – oft zum Teil – in WIR bezahlen können. Wenn ein Schweizer Unternehmer, der ein Mitglied des Netzwerkes ist, beschließt, in ein Skigebiet zu fahren, das diesem auch angehört, kann er sein Zimmer in Höhe von 50%, 60% … ja sogar bis zu 100% in WIR bezahlen, z.B. in der Nebensaison, wenn die Nachfrage nach Euro, Dollar oder Schweizer Franken am niedrigsten ist.

Foto-Kredit: Flickr / Gerard Touren
Foto-Kredit: Flickr / Gerard Touren
Die WIR fördert also die lokalen Wirtschaftsaktivitäten. Sie kann diese nach einer Krise wiederbeleben, da sie die Aktivitäten des Netzes unterstützt, dessen Mitglieder exklusive Nutzer sind. Der italienischen Region Sardinien, die seit 2009 mit Sardex ein ähnliches System nutzt, ist es gelungen, die lokale Wirtschaft zu stärken, die von Rom immer vernachlässigt wurde. Nach dem Ebenbild der WIR wird die Sardex von den KMUs der Insel genutzt und erlaubt es so, lokale Wirtschaftsaktivitäten zu betreiben und eine neue Art von Tauschhandel zu begründen. Die Sardex, wie die WIR, sorgt dafür, dass die KMUs ihre Aktivitäten ohne Liquiditätsmangel aufrechterhalten können, den sie sonst durch den nationalen und europäischen Wirtschaftsabschwung erleiden würden und sie haben daher nicht das Risiko, ihre Geschäfte einstellen zu müssen. Es ist eine Art Rückversicherung für ihre Profite, und damit für die lokalen Arbeitsplätze.

Der zweite Vorteil der WIR ist, dass sie leicht zugänglich und (fast) umsonst ist. Neuerdings gibt es Sollzinsen, die zu Beginn bei null waren, deren Satz aber immer unter 1% bleibt. So wird die Verschuldung der Kreditnehmer eingegrenzt und die Konzentrierung des Reichtums verhindert. Da sich ein Staat allerdings traditionsgemäß verschuldet, wenn er Darlehen aufnimmt, muss er dafür die Kosten tragen: den Zinssatz. Ob sie hoch sind oder nicht, diese Prozente belohnen den Verleiher für das eingegangene Risiko – denjenigen, der genug Geld hat, um für die Dauer der Transaktion auf einen Teil davon zu verzichten, um damit einen Profit zu erzielen. Mit den Zinssätzen unterstützt man jedoch wiederum die Verteilung des Reichtums zugunsten der Verleiher, Investoren und „Märkte“.

Ein Modell wie das WIR könnte sich in der Griechenlandkrise als sinnvoll erweisen. Im Juni wird, wie bereits im gleichen Monat letzten Jahres, ein Hilfsplan für Griechenland aufgelegt – bei dem das Risiko auf ähnliche Resonanz besteht. Die Finanzspritzen, wenn sie in Euro sind, verlassen sofort wieder das Land, wie jedes Jahr seit 2009. Eine Ergänzungswährung wie die WIR hingegen – die auf eine Region oder auf das ganze Land angewandt werden kann, statt auf die KMUs – würde dazu beitragen, die lokalen Wirtschaftsaktivitäten wieder in Schwung zu bringen, Angebot wie Nachfrage. Griechenland müsste insofern nicht aus dem Euro austreten. Die Ko-Existenz der beiden Währungen, wenn sie auch auf den ersten Blick heikel erscheint, funktioniert gut in der Schweiz und auf Sardinien, aber auch im Vereinten Königreich, wo zahlreiche Firmen die Geschäfte mit Ihren Partnern auf dem Kontinent weitgehend in Euro abwickeln.

Notez