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„Ich bin nicht freiwillig nach Großbritannien gegangen, sondern aus Pragmatismus.“ Olivier Cadic hat Frankreich wegen seinem Business verlassen. Sein einziges Ziel war konkurrenzfähig zu bleiben um seinen Kunden das Beste zu bieten. Nachdem sich das Industrieministerium weigerte, seine Verpflichtungen zu berücksichtigen, bot ihm nur Großbritannien einen entsprechenden Rahmen, der das Überleben seiner Firma erlaubte. Seinen eigenen Worten zufolge „ohne eine Provokation auslösen zu wollen“, gehe er wohl recht in der Annahme „sich für diejenigen, die es lieber stigmatisieren statt es verstehen zu wollen, als erster Steuerflüchtling Frankreichs qualifiziert zu haben. Meine Ausreise diente ausschließlich dem Erfolgt meines unternehmerischen Engagements, das sich später in politisches Engagement verwandelt hat.“
Ein Senator im Ausland
Im Ausland zu leben ist eine permanente Herausforderung für einen Abgeordneten. „Nach meinem Amtsantritt habe ich keine drei Nächte hintereinander in meinem Zuhause in Kent verbracht. Stattdessen war ich in Madrid, Kopenhagen, Wilna ... unterwegs.“ Man muss sagen, es ist harte Arbeit, der rein inner-französischen Politik einen Einblick von Außen zu verschaffen. Eine heikle Position, denn jedes Mal, wenn er sich über die Politik seines Landes beschwert, beschuldigt ihn die Regierung mehrheitlich des „french bashing“, Frankreich schlecht zu machen. Und obwohl der französische Abgeordnete seit acht Jahren in Großbritannien lebt, ist es immer noch ein Tabu, öffentlich Position zur britischen Politik zu beziehen.
Ein europäischer, sogar ein internationaler Abgeordneter? Olivier Cadic nimmt dies für sich in Anspruch. Aber die Hindernisse sind zahlreich. Es ist nicht immer leicht, sich den politischen Spielregeln Frankreichs zu unterwerfen, oder die vorgefassten Rollenbilder zu überwältigen, besonders, wenn man sich im Ausland befindet. „Am Schlimmsten ist, ehrlich gesagt, die Klischeevorstellungen zu überwinden. Die Briten finden die Franzosen in der Regel sehr arrogant. Mein Ziel ist es, den beiden Völkern zu helfen, sich gegenseitig zu verstehen, da es viele Missverständnisse beiderseits des Ärmelkanals gibt - in Frankreich genauso wie in Großbritannien - was sich vor allem durch einer gewissen Arroganz ausdrückt.“
Eine angelsächsische Stimme im Senat
„Die Schotten-, Englandfrage ... die Briten haben ihre eigenen Probleme, da wo wir unsere haben, besonders wirtschaftliche. Der Unterschied liegt in den Vorurteilen: In Frankreich z.B. wird das britische Gesundheitswesen völlig unterbewertet. Die NHS ist jedoch trotzdem während der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele 2012 zu Ehren gekommen, was beweist, dass die Briten zu Recht stolz auf Ihr System sind.“ Auf politischer Ebene präsentiert sich Olivier Cadic als Europäer, in wirtschaftlicher Hinsicht als Liberaler. Über die politischen Spaltungen hinaus, sieht er sich als Franzose im Ausland, und stellt fest, dass die Franzosen oft einen schlechten Ruf haben und dass es deshalb notwendig ist sie im Parlament zu vertreten.
Diese Notwendigkeit stellt eine große Herausforderung dar, nämlich die Grenzen aufzuheben, besonders innerhalb Europas. Für Olivier Cadic besteht das ganze Problem darin zu erinnern, dass die Franzosen, die im Ausland leben, nach wie vor Franzosen sind. Sie teilen sich gemeinsame Vorstellungen und haben die gleichen Werte. „Ein Franzose im Ausland fühlt sich oft stiefmütterlich behandelt. Er ist ein Fremder in dem Land, in dem er wohnt, aber er wird gleichzeitig auch zu einem Fremden für seine Landsleute in Frankreich,“ merkt er an.
„Die Briten haben ein Herz“
Im Ausland ein Repräsentant Frankreichs zu sein, führt nach Olivier Cadic dazu, tagtäglich mit seinen französischen Ansichten zu leben, jedoch Frankreich, zwar wohlwollend, aber mit kritischem Auge zu betrachten. Auf Grund dieser Erfahrung wägt er auch vorgefasste Vorstellungen ab: „Die Briten haben ein Herz. Die Spenden der Einzelpersonen belaufen sich auf 13 Mrd. Euros und sind damit fast dreimal so hoch wie die der Franzosen. Großbritannien bildet nach mehr als fünf Jahren den ersten Handelsüberschuss gegenüber Frankreich. Ich wünsche mir, dass die Leute diesen Vorteil zu schätzen wissen. Man muss folglich, was unsere Kulturunterschiede angeht, gegen hartnäckige Klischees ankämpfen. Deshalb war ich immer für eine Annäherung der beiden Seiten des Ärmelkanals. Das allerschönste wäre, den Traum, den einige von uns haben, zu realisieren: eine U-Bahn zwischen Calais und Ashford zu errichten und den Tunnel dazu zu nutzen, um eine neue Generation grenzüberschreitender Arbeitnehmer zu schaffen.“