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OpenPetition lautet der Name dieser neuen Internetplattform, die von jungen deutschen Bürgern erstellt wurde. Ziel ist es, Petitionen online zu schaffen, die die Europäer auf das, was in Europa geschieht, aufmerksam machen sollen. Der Grundsatz besteht vor allem darin, Bürgern Instrumente zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre Divergenz mit der EU-Politik – einer immer weniger beliebten sogar – ausdrücken können.
„Für eine lebendigere Demokratie in Europa“. Der Slogan der politisch neutralen Plattform ist eindeutig. Nachdem die Plattform einen beachtlichen Erfolg in Deutschland hatte, setzen sich nun deren Gründer zum Ideal, Freiwillige zu finden, die die Webseite in alle Sprachen übersetzen würden. Dadurch wäre es m. Dadur ein breiteres Publikum zu erreichen. Die europäische Demokratie sollte nämlich – über die Grenzen des Geburtslandes von OpenPetition hinweg – Angelegenheit der gesamten 28 EU-Länder sein.
Auch wenn OpenPetition den von ihren Gründern gewünschten Umfang noch nicht erreicht hat, entwickelt sich die Plattform weiter, was als sehr positiv für die Demokratie bewertet wird. Dies liegt an dem wachsenden Willen der Europäer, die Problematiken der EU-Politik erneut zu erfassen, nachdem sie sich oft von ihnen nicht betroffen fühlten.
Der Diskurs über jegliche Form der Demokratie in Europa darf sich aber einer Präsentation der vier EU-Institutionen nicht entziehen. An erster Stelle steht die Kommission: Es handelt sich um das Zentralorgan der Gemeinschaft, das neue Rechtsvorschriften vorschlägt und die Interessen der EU insgesamt vertritt. Der Rat der Minister der einzelnen Mitgliedsländer verabschiedet diese dann in Mitentscheidung mit der dritten Institution, dem Parlament. Als vierte Institution gilt der EU-Gerichtshof: Anders als die vorhin genannten Institutionen wird ihm keine Rolle im Verabschiedungprozess zugeschrieben. Er sorgt aber dafür, dass die Mitgliedsländer die vom Rat und Parlament verabschiedeten Gesetze tatsächlich einhalten.
Das Parlament gilt als einzige Institution, die von gewählten Vertretern zusammengesetzt ist. Nur es vertritt das Volksinteresse. Die Abgeordneten werden alle fünf Jahre EU-weit von den Bürgern direkt gewählt. Was die Kommission und den Rat betrifft, dürfen die Bürger hingegen keine politische Präferenz zum Ausdruck bringen, da die Mitglieder nach ihren fachlichen Kompetenzen ernannt werden.
Obwohl das Parlament die einzige demokratische Instanz innerhalb der EU zu sein scheint, muss auf Grund zunehmender Stimmenthaltung und der Inanspruchnahme externer Berater durch die Parlamentarier hinterfragt werden, wie real der Platz der EU-Bürger im ganzen Entscheidungsprozess ist.
Die mangelnde Demokratie des Europaparlaments
Die mangelnde Demokratie des EU-Parlaments ist teilweise auf die geringe Sichtbarkeit dieser Institution zurückzuführen. Es wird in den Medien kaum darüber berichtet, was das EU-Parlament tut, so dass die Bürger nie wissen, was dort wirklich geschieht und was die von ihnen gewählten Parlamentarier machen. Um so seltener werden Debatten in den Medien geführt, in denen die Bürger ihre Erfahrung oder ihre Meinung über das Parlament äußern könnten. Folglich stehen die EU-Bürger abseits der Denkströmungen der Institution, was sie wiederum nicht dazu bewegt, sich für letztere zu interessieren.
Die immer größer werdende Kluft zwischen Parlamentariern und Bürgern hat zur Folge, dass das Vertrauen der Europäer in die Institution sinkt. Dieses Misstrauen wird beispielsweise bei den Europawahlen deutlich und schlägt sich in immer höheren Nichtwählerzahlen nieder. Bei den letzten Wahlen 2014 lag die Nichtwählerquote über 56 %. Also herrscht zwar kein Zweifel darüber, dass die Parlamentarier aus einem Prozess der repräsentativen Demokratie hervorgehen, der Begriff „repräsentative Demokratie“ an sich ist aber ausgesprochen fragwwrdig. Ist er wirklich geeignet, wenn die Nichtwählerquote bei knapp 40% oder 60% liegt? Die europäische Gemeinschaft ist heute somit berechtigt zu fragen, ob die Legitimität der Parlamentarier wirklich gegeben ist.
Über diese Frage hinaus tragen weitere Aspekte dazu bei, die demokratische Kritik am Parlament anzuregen. Damit die Abgeordneten in voller Kenntnis der Sachlage abstimmen können, müssen sie mit den fachlichen Anforderungen der Rechtsvorschrift gut klar kommen. Bei einer Gesetzesvorlage fn etze Landwirtschaft z.B. wird vor jeder Abstimmung ein gutes Textverständnis von den Abgeordneten verlangt. In diesem Fall sind Kenntnisse im Bereich Landwirtschaft erforderlich.
Parlamentarier sind dennoch keine Sachverständigen und ihnen fehlen die passenden Fachkenntnisse, um sich mit bestimmten Problematiken auseinandersetzen zu können. Demzufolge wenden sie sich an externe Experten, die den Sachbereich komplett beherrschen. Im Endeffekt tragen diese durch ihre Empfehlungen zur Beeinflussung der Entscheidung der Parlamentarier bei. Hier offenbart sich erneut ein Mangel an Demokratie: Die externen Experten haben zwar Einfluss im parlamentarischen Entscheidungsprozess, aber sie verfügen über keine demokratische Legitimität, da keiner sie gewählt hat.
Die Europäische Bürgerinitiative: Ein weiterer Schritt hin zur Demokratie
Die Europäische Bürgerinitiative, besser bekannt unter dem Kürzel EBI, entstand mit dem 2009 in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon. Die EBI verpflichtet die Kommission dazu, jegliche Forderung zu berücksichtigen, die in einer Petition mit Unterstützungsbekundungen von mindestens einer Million EU-BürgerInnen aus sieben verschiedenen Mitgliedsländern geäußert wurde. Wenn dies gelingt, soll die Kommission anschließend versuchen, die Bürgerinitiative in der Form eines Legislativvorschlags zu erarbeiten.
Obwohl die EBI in den Medien wenig präsent ist, lässt sich nicht leugnen, dass dies als ein weiterer Fortschritt hin zur Demokratie in Europa gilt. Das Verfahren der EBI, das 2009 entstand, ist aber offiziell erst seit April 2012 gültig. Es wurden bis heute fünfzig Petitionen lanciert. Dennoch konnten nur drei von ihnen allen Kriterien entsprechen und so ihren Weg zur EU-Kommission finden.
Die Komission hält eine Petition unter der Voraussetzung für zulässig, dass sie zahlreichen Kriterien – zusätzlich zu der benötigten Million Unterschriften – entspricht. Sie soll zunächst gesetzlich zulässig sein, mit anderen Worten müssen die Forderungen in Maßnahmen umwandelt werden können, sie müssen auch zur bestehenden Gesetzgebung passen. Die Initiativvorschläge dürfen nicht „unseriös“, „missbräuchlich“ oder „schikanös“ sein. Zur Registrierung eines Initiativvorschlags durch die Kommission wird auch verlangt, dass dessen Objekt nicht gegen die Grundwerte der Union verstößt.
Unter den vielen Petitionen, die als ungültig erklärt wurden, ist jene Petition für ein europäisches Referendum fer mehr direkte Bürgerbeteiligung. Erfolglos blieb auch diese Petition über die demokratische Neuausrichtung der Institutionen Europas. Laut der Kommission hätten beide Forderungen die Veränderung gewisser grundlegender EU-Verträge mit sich gebracht. Die Kommission war nicht berechtigt sie zu verändern, darum hatte sie diese Petitionen abgelehnt.
Allgemein betrachtet, mag die große Mehrheit der Forderungen ja nur ein Wunsch bleiben, gilt die EBI dennoch als ein demokratischer Fortschritt von grohri Bedeutung. Auch ungültige Petitionen ermöglichen nämlich, vom Volk gewählte Themen in die europäische Öffentlichkeit vorzubringen. Im Gegenzug werden die EU-Institutionen dazu veranlasst, sich diesen Themen zu widmen.
Ferner ist es durchaus vorstellbar, dass wichtigere und einflussreichere Akteure dem Beispiel der heutigen Bürger folgend in einigen Jahren neue EBI initiieren. Man denke z.B. an Nichtregierungsorganisationen oder an Gewerkschaften, deren viel größere Bedeutung den Weg in die EU-Sphäre einfacher ebnen könnte.
Die EBI scheint demnach ein wichtiger Schritt im Ausbau der Demokratie in Europa zu sein, auch wenn gewisse Fortschritte gemacht werden müssen, nicht zuletzt die Mediatisierung der EBI. Manche betrachten die EBI als „neue Revolution“, eine humanistische und pazifistische. Sie würde den Bürgern die Möglichkeit bieten, ihre Meinungsverschiedenheiten auszudrücken und für ihre Interessen zu kämpfen, wobei heftige Auseinandersetzungen innerhalb der Gemeinschaft vermieden werden können.