Deutschland : wer hat Angst vor Alice Schwarzer ?

Alexandra Stolz
20 Novembre 2013



71 Jahre wird sie im Dezember diesen Jahres alt und dennoch tritt sie weiterhin energisch für die Rechte der Frau ein wie eine junge Kämpferin. Die wohl umstrittenste Frau der deutschen Intellektuellenszene hat ihren Lebensinhalt dieser Thematik gewidmet und hält sich auch aus aktuellen Debatten nicht raus.


Crédits photo -- Bettina Flitner
Crédits photo -- Bettina Flitner
Am liebsten habe ich Happy Ends, das Leben ist schon kompliziert genug", betonte Alice Schwarzer einst. Dass ihr Leben nicht ohne Komplikationen verlief, sie häufig auf Widerstand stieß, Diskussionen führte und sie sich durchkämpfen musste, glaubt man ihr sofort; hat sich die mittlerweile grauhaarige, langsam alternde Frau doch zeitlebens für feministische Standpunkte eingesetzt. Dabei versteht sie es mehr wie jede Andere zu polarisieren, die Lager zu spalten und somit einen großen Masse an gleichdenkenden Menschen hinter sich zu vereinen – oder eben nicht.

Die Liste der Berufsbezeichnung der Deutschen ist lang: Verlegerin, Autorin, Journalistin, prominente Feministin. Der Grundstein für ihr unerschrockenes Wesen wurde vermutlich bereits mit ihrer Geburt gelegt: Geboren wurde Alice Sophie Schwarzer am 3. Dezember 1942 in Wuppertal von einer ledigen Mutter. Ein Skandal in der damaligen Gesellschaft, der sie in der Schule zur Außenseiterin machte. Aufgewachsen ist sie jedoch bei ihren Großeltern. Nach eigenen Aussagen habe sie dies sehr geprägt, da vor allem ihr Opa die  fürsorgliche" und  mütterliche" Rolle übernahm, wohingegen ihre Oma  sehr politisiert mit einem hohen Gerechtigkeitssinn" auf die kleine Alice einwirkte. Ebenso eine eher ungewöhnliche Rollenverteilung im Deutschland der Nachkriegszeit.

Ihr weiterer Werdegang lies noch nicht ahnen, dass aus ihr die Person hervorgehen wird, die die Rolle der Frau in Deutschland mächtig überarbeiten würde. Nach der Schule folgte eine kaufmännische Ausbildung und eine kurze Zeit als Angestellte in einem Münchener Verlag. Der folgende Schritt war es erst, der sie mit Feminismus in Kontakt brachte: Um Französisch zu erlernen, ging sie 1963 nach Paris um einen Sprachkurs beim Institut  Alliance Francaise" abzuleisten.

Beflügelt von den wilden Parties, die die Blondine mit kurzen Haaren feierte und den aufregenden Menschen, denen sie im Nachbarland begegnete, wuchs in Ihr der Wunsch heran, Journalistin zu werden – doch deutsche Journalistenschulen wiesen sie ab. Den Komplikationen ausweichend ging sie also erneut nach Frankreich, wo sie die Bekanntschaft von Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir machte. Letztere sollte in Zukunft ihre Lehrerin, Vertraute und Freundin werden. Ein privates Happy End mit weiten Folgen, denn dieses Aufeinandertreffen sollte nicht nur Schwarzer verändern – sondern auch die feministische Bewegung Deutschlands.

 Der Motor meines ganzen Handelns ist Gerechtigkeit. Gerechtigkeit in meinem persönlichen Leben; in dem Land, in dem ich lebe; in der ganzen Welt." Aus diesem Grund bringt die manchmal fast wütend wirkende junge Frau auch das Mouvement de la libération des femmes (MLF)" nach Deutschland. Vor allem gegen §218 des Deutschen Grundgesetztes setzte sie sich vehement ein und kann später einen kleinen Erfolg feiern: Es ist diese aufmüpfige Person, die in Talkshows rasend spricht, auf der Straße die Proteste anheizt und einfach nicht locker lässt, der es die heutigen Frauen in Deutschland zu verdanken haben, dass sie legal, mit gewissen Auflagen, ein Kind abtreiben können. Somit hat sie zumindest ein bisschen Gerechtigkeit herstellen können, einen Teilerfolg, ein kleines Happy End.

Alice Schwarzer ist alles andere als bequem. Sie ist borstig, sie ist garstig und dabei ist sie immer sie selbst. Noch als junge 20-Jährige hetzte sie die Schönheitsideale der damaligen Zeit nach, probierte Diäten aus und trug Masken auf ihr faltenfreies Gesicht, damit es auch ja straff bleibe. Fünfzig Jahre später ist erkennbar, dass auch Hausmittel keine natürlichen Prozesse aufhalten können. Doch der aufgeweckten Schwarzer war dies schon früher klar.  Eines Tages werde ich über Frauenzeitschriften in Deutschland schreiben", prophezeite sie in einem Brief an ihren damaligen Freund Bruno. Was sich Alice Schwarzer vornimmt, setzt sie auch mit allem Ehrgeiz um. So schreibt sie nicht nur aufgebracht über die unmöglichen Erwartungen, die Frauenzeitschriften aufbringen und welchen Druck sie auf das weibliche Geschlecht in einer Gesellschaft ausüben. Nein, sie gründet ihre eigene Zeitschrift. Und somit erscheint 1977 das erste Heft der  Emma". Seitdem berichten sie und ihr Team erfolgreich, kritisch und reell über verschiedene Themen, die die Gesellschaft bewegen.

Das Thema der aktuellen Ausgabe? Die Legalität Prostitution – eines der Lieblingsthemen Alice Schwarzer. Auch dazu wird sie wieder viel zitiert und ist Dauergast in politischen und gesellschaftskritischen Talkshows. Ihr Standpunkt in der Debatte ist klar: Prostitution ist nicht menschenwürdig. Sie gehört abgeschafft. Doch so einfach wird es ihr auch diesmal nicht gemacht. Mit Anfang 70 führt die keineswegs an Energie verlorene Person noch weitere Kämpfe. Mal sehen, ob weitere Happy Ends folgen.

Notez